Wem gehören eigentlich Ihre Marketing-Daten?
Guido Bülskämper
Gründer expedit.io

Eine Frage, die sich die wenigsten stellen – bis es zu spät ist.
Sie investieren jeden Monat Tausende Schweizer Franken in Google Ads, LinkedIn-Kampagnen und Meta-Werbung. Sie nutzen drei, vier, vielleicht fünf verschiedene Tools, um diese Kanäle zu steuern und auszuwerten. Und Sie sammeln dabei etwas unglaublich Wertvolles: Daten. Kampagnendaten, Conversion-Daten, Audience-Insights, Performance-Historien.
Aber haben Sie sich je gefragt, wem diese Daten eigentlich gehören?
Das böse Erwachen beim Tool-Wechsel
Ich erlebe es regelmässig: Ein Unternehmen ist unzufrieden mit seinem aktuellen Analytics-Setup und will wechseln. Vielleicht sind die Kosten gestiegen, vielleicht passt das Tool nicht mehr, vielleicht hat die Agentur gewechselt. Der Wechsel selbst ist machbar. Doch dann kommt die Frage: „Können wir unsere historischen Daten mitnehmen?“
Die Antwort ist fast immer dieselbe: Nein. Oder bestenfalls: Teilweise, gegen Aufpreis, in einem Format, das niemand weiterverwenden kann.
Drei Jahre Kampagnenhistorie. Saisonale Muster. Learnings aus A/B-Tests. Alles weg. Nicht weil die Daten gelöscht wurden – sondern weil sie nie Ihnen gehört haben.
Datensouveränität ist mehr als ein Buzzword
Der Begriff „Datensouveränität“ klingt abstrakt. Was bedeutet er konkret?
Datensouveränität heisst, dass Ihre Marketing-Daten in einer Infrastruktur liegen, die Sie kontrollieren. Nicht auf den Servern eines SaaS-Anbieters in den USA. Nicht in einer proprietären Datenbank, auf die nur Ihre Agentur Zugriff hat. Sondern in Ihrem eigenen Data Warehouse, auf das Sie jederzeit zugreifen können – mit oder ohne externen Partner.
Das klingt selbstverständlich. Ist es aber nicht.
Die meisten Marketingtools folgen einem anderen Prinzip: Sie speichern Ihre Daten auf ihren Servern – in ihrem Format und nach ihren Regeln: Sie dürfen die Daten nutzen solange Sie zahlen. Wenn Sie kündigen, verlieren Sie den Zugang. Die Daten bleiben beim Anbieter, oder werden nach einer Übergangsfrist gelöscht.
Die versteckten Kosten des Vendor Lock-ins
Vendor Lock-in ist kein theoretisches Problem, sondern er hat ganz konkrete Konsequenzen.
Wenn Ihre gesamte Kampagnenhistorie in einem Tool liegt, können Sie dieses kaum verlassen ohne einen erheblichen Preis zu zahlen. Nicht nur finanziell – sondern auch strategisch. Sie verlieren die Möglichkeit langfristige Trends zu analysieren. Sie können Vorjahresvergleiche nicht mehr ziehen. Sie starten bei jedem Tool-Wechsel wieder bei null.
Das wissen die Anbieter natürlich. Und nutzen es aus: Preiserhöhungen werden leichter durchgesetzt, da der Wechsel schmerzhaft ist. Feature-Einschränkungen werden akzeptiert, weil die Alternative schlimmer scheint. Die Abhängigkeit wächst mit jedem Monat, in dem weitere Daten anfallen.
Was echte Datensouveränität ausmacht
Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen „Daten exportieren können“ und „Datensouveränität haben“.
Ein CSV-Export ist keine Datensouveränität. Ein PDF-Report ist keine Datensouveränität. Auch ein API-Zugang ist keine Datensouveränität, wenn die API morgen abgeschaltet werden kann.
Echte Datensouveränität bedeutet: Die Rohdaten liegen in einer Infrastruktur, die Ihnen gehört oder die Sie direkt kontrollieren. Bei uns heisst das konkret: Google BigQuery mit Serverstandort Zürich. Die Datenbank gehört dem Kunden. Wir verarbeiten und visualisieren die Daten – aber sie liegen nicht bei uns.
Wenn ein Kunde die Zusammenarbeit beendet, bleiben seine Daten genau dort, wo sie waren: bei ihm. Vollständig. Im Originalformat. Ohne Ablaufdatum.
Die unbequeme Frage, die Sie stellen sollten
Bevor Sie sich für ein Marketing-Analytics-Tool entscheiden, stellen Sie eine einzige Frage: „Was passiert mit meinen Daten, wenn wir in zwei Jahren kündigen?“
Achten Sie genau auf die Antwort. Ausweichende Formulierungen wie „Die Daten können exportiert werden“ oder „Wir unterstützen Sie beim Übergang“ sind Warnsignale. Eine ehrliche Antwort klingt anders: „Die Daten gehören Ihnen. Sie liegen in Ihrer Infrastruktur. Wenn Sie gehen, bleiben die Daten.“
Warum das gerade für Schweizer KMU relevant ist
In der Schweiz haben wir ein starkes Bewusstsein für Eigentum und Unabhängigkeit. Wir wählen Lieferanten sorgfältig aus und erwarten Verlässlichkeit. Wir schätzen langfristige Partnerschaften, wollen aber nicht erpressbar sein.
Bei Marketing-Daten legen viele diese Prinzipien erstaunlicherweise beiseite. Vielleicht weil das Thema technisch wirkt. Vielleicht weil die Konsequenzen erst später sichtbar werden. Vielleicht weil niemand laut darüber spricht.
Aber die Daten, die Sie heute sammeln, sind die Grundlage für Ihre Entscheidungen von morgen. Wer diese Daten kontrolliert, kontrolliert ein Stück weit auch Ihre Marketing-Strategie. Das sollten Sie sein – nicht Ihr Tool-Anbieter.
Ein Gedanke zum Schluss
Datensouveränität ist kein Nice-to-have. Sie ist die Voraussetzung dafür, dass Sie Ihre Marketing-Investitionen langfristig auswerten und optimieren können. Sie ist der Unterschied zwischen einer echten Partnerschaft und einer Abhängigkeit.
Fragen Sie bei Ihrem nächsten Anbietergespräch nach der Exit-Strategie. Die Antwort wird Ihnen mehr über den Anbieter verraten als jede Hochglanz-Präsentation.
Guido Bülskämper ist Gründer von expedit.io und unterstützt Schweizer KMU dabei, die Kontrolle über ihre Marketing-Daten zurückzugewinnen.